STADTRADELN statt Radeln

Offen­sicht­lich ist 2014 das Jahr der spon­ta­nen Beschlüs­se; jeden­falls ist es das für mich. Erst mel­de­te ich mich zum Blog­ger­tref­fen an, dann fuhr ich zum #tworf und nicht zuletzt buk ich Unmen­gen an Bie­nen­stich im Rah­men mei­ner Umset­zung der Ice Bucket Chall­enge.

Was aber jetzt seit ges­tern vor­bei ist, zumin­dest in die­sem Jahr, ist das STADTRADELN. Damit enden drei Wochen, in denen ich (bis auf zwei Tage) an jedem Tag Fahr­rad gefah­ren bin – und es doku­men­tiert habe. Rad fah­re ich auch sonst; ich den­ke sogar, dass die­se drei Wochen durch­aus reprä­sen­ta­tiv waren, aber doku­men­tiert habe ich mein Rad­fahr­ver­hal­ten bis­lang noch nicht. Was steht also am Ende die­ser drei Wochen STADTRADELN?

Stadtradeln, was’n das?

Beim STADTRADELN geht es dar­um, Men­schen dazu zu bewe­gen aufs Fahr­rad umzu­stei­gen, um damit etwas für sich, die Umwelt und den Rad­ver­kehr als sol­chen zu tun. In einem kom­mu­nal fest­ge­leg­ten Zeit­raum von drei Wochen sol­len mög­lichst vie­le Men­schen, die in die­ser Kom­mu­ne leben, arbei­ten oder sich ander­wei­tig enga­gie­ren, mög­lichst vie­le Wege auf dem Rad zurück­le­gen, um so weni­ger Koh­len­di­oxid zu pro­du­zie­ren und mehr Auf­merk­sam­keit für nach­hal­ti­ge­re Mobi­li­tät zu bekom­men. Zugleich soll­ten loka­le Entscheidungsträger_innen durch Teil­nah­me am STADTRADELN aus ers­ter Hand erfah­ren kön­nen, wel­chen Schwie­rig­kei­ten Radfahrer_innen im Stra­ßen­ver­kehr aus­ge­setzt sind.

Wie war ich?

Blick auf die Ruhr in begin­nen­der Abenddämmerung

Ich hat­te es am Anfang schon erwähnt: In mei­nen Augen waren die drei Wochen vom 30. August bis zum 19. Sep­tem­ber ziem­lich reprä­sen­ta­tiv. Ich fuhr täg­lich mit Bahn und Rad zur Arbeit, fuhr mit dem Rad ein­kau­fen und am Wochen­en­de ab und an mal raus ins Grü­ne bzw. frei­tags auch mal zu einer Cri­ti­cal Mass. Nichts wirk­lich Beson­de­res also. Dabei fing mein STADTRADELN ziem­lich inten­siv an, näm­lich mit der nächt­li­chen Rück­fahrt von der Cri­ti­cal Mass Köln, mei­ner ers­ten Cri­ti­cal Mass im Rah­men von #bak­ing­forho­pe, gefolgt von der Anrei­se zum Blog­ger­tref­fen in Köln und weni­gen Tagen spä­ter der streik­be­ding­ten Fei­er­abend­rad­tour von Dort­mund nach Wup­per­tal. Allein das waren 160 Kilo­me­ter bin­nen drei Tagen, das war deut­lich mehr als üblich. Danach fuhr ich mehr­heit­lich nur noch mei­ne 9,1 Kilo­me­ter­chen pro Tag, die mich von daheim zum Zug, vom Zug zur Arbeit und retour führten.

Nichts­des­to­trotz war und blieb ich mit Spaß dabei. Ich wäre nach hin­ten raus ger­ne mehr gefah­ren, nur um den pro­fes­sio­nel­len Rad­lern vom ADFC Her­ne ein Schnipp­chen zu schla­gen (immer­hin hat­te ich in den ers­ten Tagen allei­ne mehr Kilo­me­ter zurück­ge­legt als das gesam­te Team zusam­men), aber mit 352,7 Kilo­me­tern in 21 Tagen bin ich auch nicht ganz unzu­frie­den. Damit lie­ge ich auf Platz 3 in „mei­nem“ Team, knapp unter dem Durch­schnitt der öffent­lich ein­seh­ba­ren Kilo­me­ter mei­nes Teams und rund 100 Rad­ki­lo­me­ter pro Per­son vor dem ADFC Her­ne. Das macht mich einer­seits trau­rig, ande­rer­seits aber (für fünf Minu­ten) auch recht stolz auf mei­ne Leis­tung. Beat that, ADFC!

Rech­ne ich das aufs Jahr hoch – und das ist durch­aus legi­tim, weil „Win­ter“ für mich kein Grund das Rad ste­hen zu las­sen ist –, dann wer­de ich in die­sem Jahr sum­ma sum­ma­rum etwa 6.130 Kilo­me­ter zurück­ge­legt haben wer­den. Das ist okay. Ich ver­mu­te aber, dass es sogar noch ein biss­chen mehr sein wird, weil ich mich in mei­nem Urlaub mit dem Rad fort­be­wegt habe, was schon allein 600 erhol­sa­me Kilo­me­ter waren. Doch genug der Zah­len­pro­t­ze­rei. Nächs­tes Jahr geht noch mehr!

Stadtradeln, ist das toll?

STADTRADELN ist eine nach Nürn­ber­ger Vor­bild wei­ter­ent­wi­ckel­te Kam­pa­gne des Kli­ma-Bünd­nis, das größ­te Netz­werk von Städ­ten, Gemein­den und Land­krei­se zum Schutz des Welt­kli­mas, dem über 1.700 Mit­glie­der in 24 Län­dern Euro­pas angehören.

STADT­RA­DELN-Web­site

Bäm. Klingt das nicht wun­der­bar? Klingt das nicht wun­der­bar selbst­be­weih­räu­chernd, auch wenn es völ­lig neu­tral for­mu­liert ist? Unter dem Schutz des Welt­kli­mas machen wir es nicht. Wir (das sind der­zeit rund 83.000 Teilnehmer_innen) fah­ren bin­nen drei Wochen 17,2 Mil­lio­nen Kilo­me­ter mit dem Rad (also etwa 200 Kilo­me­ter pro Per­son) und ver­mei­den damit die Ent­ste­hung von knapp 2.200 Ton­nen Koh­len­di­oxid (also rund 26 Kilo­gramm pro Per­son). Anders gesagt: Gin­gen wir von einem durch­schnitt­li­chen Aus­stoß von 140 Gramm CO2 pro Kilo­me­ter bei einem Auto aus, wäre jede_r von uns 185 Kilo­me­ter nicht mit dem Auto gefah­ren. Toll.

Wenn ich aber beden­ke, dass wirk­lich vie­le Men­schen jeden Tag nur ein paar Kilo­me­ter mit dem Auto zur Arbeit fah­ren, dann ist das doch nicht so schlecht. Ande­rer­seits gehört mei­ne Stadt Her­ne, für die ich teil­neh­men konn­te, weil ich dort arbei­te, zu den Fahr­rad­muf­feln, mit umge­rech­net gera­de ein­mal ins­ge­samt 0,07 Kilo­me­tern pro Einwohner_in in den drei Wochen, was defac­to drei Meter pro Tag wären. Nur zum Ver­gleich: Kom­mu­nen wie Her­de­cke – nicht unbe­dingt ein Aus­bund an nie­der­rhei­ni­schem Flach­land – schaff­ten immer­hin 0,519 Kilo­me­ter pro Ein­woh­ner in den drei Wochen, wobei Spit­zen­rei­ter Thai­ning im Land­kreis Lands­berg am Lech sogar auf stol­ze 16,742 Kilo­me­ter kommt.

Das alles geht aber davon aus, dass wir sonst mit dem Auto gefah­ren wären und es im Rah­men von STADTRADELN ste­hen­ge­las­sen hät­ten. Ich für mei­nen Teil muss aber kon­sta­tie­ren, dass ich ohne­hin nicht Auto fah­re, schon weil ich kei­nen Füh­rer­schein besit­ze. Ich ver­mu­te aber, dass ich mit die­ser Hal­tung unter den Teilnehmer_innen nicht son­der­lich allein bin, wes­we­gen die rea­le Ein­spa­rung wohl deut­lich nied­ri­ger aus­fal­len dürf­te. Es wäre span­nend zu sehen, wie hoch der Anteil an Alltagsradler_innen (so will ich Leu­te wie mich mal nen­nen) am Gesamt­ergeb­nis ist.

Abge­se­hen davon kann ich mit der Welt­ret­tungs­at­ti­tü­de ohne­hin nichts anfan­gen. Für wen das der Grund zur Teil­nah­me ist: schön. Mei­ner ist es nicht. Für mich war es zunächst der Gedan­ke, dem Rad­ver­kehr und einer nach­hal­ti­ge­ren Mobi­li­tät mehr Auf­merk­sam­keit zukom­men zu las­sen, denn ich möch­te mich als Ver­kehrs­teil­neh­mer angst­frei, sicher und effi­zi­ent auf guten Wegen fort­be­we­gen kön­nen. Ab dem Zeit­punkt mei­ner Erkennt­nis, dass ich im Ran­king vor dem ADFC lag, kam aber auch ein biss­chen Ehr­geiz in mir zum Vor­schein, der mich die man­geln­de Zeit für mehr Frei­zeit­tou­ren über­ste­hen ließ.

Was mich aber stör­te: Von mei­ner Teil­neh­mer­kom­mu­ne Her­ne nahm ich bis auf einen Arti­kel bei DerWesten.de vor Urzei­ten nichts über das STADTRADELN wahr. Ande­re Städ­te bezie­hen mit unzäh­li­gen Ver­an­stal­tun­gen die gan­ze Stadt­ge­mein­schaft mit ein. Dass da ganz ande­re Kilo­me­ter­zah­len an den Tag gelegt wer­den, ist kein Wun­der. Dass da eine ganz ande­re Moti­va­ti­on vor­herrscht, ist auch klar. Mir war das, was in Her­ne lief, viel zu halbherzig.

Stadtradeln, und nu?

Ich den­ke, ich wer­de im nächs­ten Jahr wohl wie­der beim STADTRADELN teil­neh­men, aber lie­ber für Wup­per­tal, wenn es denn gin­ge, wel­ches in die­sem Jahr kein Teil­neh­mer war. Ich habe in der kur­zen Zeit, die ich jetzt hier woh­ne, bereits so vie­le rad­ak­ti­ve, enga­gier­te Men­schen wie den Tal­rad­ler Chris­toph Gro­the getrof­fen, dass es mir eine Freu­de wäre, mit ihnen den Gedan­ken, dass Rad­fah­ren mehr ist als nur ein Frei­zeit­ver­gnü­gen, wei­ter in die Welt zu tragen.

Aber gibt es das nicht bereits? Ich hat­te am Anfang schon die Cri­ti­cal Mass am Ran­de erwähnt. Die zeigt, wenn meh­re­re hun­dert Radler_innen sich spon­tan zu einer unge­plan­ten Fahrt durch eine Stadt zusam­men­fin­den, durch schie­re Prä­senz eigent­lich so viel bes­ser, dass Radfahrer_innen auch Ver­kehr sind – und als sol­che in ent­spre­chen­den Men­gen genau­so gut Stau ver­ur­sa­chen kön­nen wie Autos; aber das ist nicht das Ziel. Vor allem aber macht die Cri­ti­cal Mass Spaß ohne ein Wett­be­werb zu sein und ohne die Kli­ma­ret­tung wie eine Mons­tranz vor mir her zu tra­gen. Dass wir mit dem Rad­fah­ren für das Kli­ma etwas Gutes tun, ist aber auch ganz okay.

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