Wer mich kennt, der weiß: Ich fahre mit dem Rad. Ich fahre tagein und tagaus, ich fahre von A nach B – und wenn es sein muss, auch zurück. Ich fahre bei Sonnenschein und Regen, ich fahre am Tag und auch bei Nacht, ich fahre im Frühling, Sommer und auch Herbst – und selbst im Winter lasse ich mein Rad nicht stehen.
Warum ich mir das antue das tue, hat aber viele Gründe, und ein paar dieser Gründe möchte ich heute mal herauspicken, um euch davon zu erzählen.
Mein Rad ist Mittel zum Zweck
Ich habe keinen Führerschein. Zack, jetzt ist es raus. Selbst wenn ich wollte und könnte – und ich kann bestimmt, denn ich habe Need For Speed mit Lenkrad gespielt –, dürfte ich kein Auto fahren. Will ich also irgendeinen Ort erreichen und nicht laufen, bleiben mir nur Bus und Bahn oder das Fahrrad. Dass ich nicht ständig jemanden zur Hand habe, bei dem ich mitfahren kann, versteht sich von selbst, und jede Strecke mit dem Taxi zurückzulegen, finde ich abgesehen von den horrenden Kosten ziemlich dekadent. Insofern ist es nur logisch, dass ich kurze und mittlere Distanzen auf zwei Rädern zurücklege, denn es effizient: Ich bin schneller am Ziel als zu Fuß und günstiger als mit Bus und Bahn – und nur selten brauche ich dafür signifikant mehr Zeit.
Selbst wenn ich bedenke, dass ich ein Semesterticket habe, welches mir ermöglicht, in ganz NRW im Nahverkehr mobil zu sein, ist das Rad in vielen Fällen die bessere Alternative. Ich kann das Rad problem- und zum Teil sogar kostenlos in der Bahn mitnehmen, und bin damit unkompliziert jenseits der Start- und Zielbahnhöfe mobil.
Mein Rad ist Freiheitsbringer
Will ich irgendwo hin, dann steige ich auf mein Rad. So einfach ist das. Ich muss nicht lange überlegen, welchen Bus oder Zug ich nehme. Ich muss nicht hoffen, dass die Anschlussverbindungen passen. Ich muss nicht erst tanken fahren. Okay, ich muss die Reifen und die Bremsen prüfen, und ein bisschen Pflege sehen Schaltung und Kette auch ganz gerne, aber die alltäglichen Hindernisse wie zu niedriger Luftdruck und abgefahrene Bremsbeläge sind nichts, was mich aufhielten – und das Pflegen der Kette ist nichts, wofür ich zwingend eine Werkstatt aufzusuchen habe.
Bin ich erst einmal unterwegs, gelange ich dorthin, wo ich will, und abgesehen von Autobahnen komme ich an jeden Ort, der mein Ziel ist. (Sollte es aber jemals wieder einen autofreien Sonntag geben, wäre ich der erste Radler auf der Autobahn.)
Mit dem Rad (und der Bahn) komme ich zur Arbeit, und wenn es sein muss, dann schaffe ich das auch ohne die Bahn – es dauert mir nur zu lang. Mit dem Rad kann ich einkaufen fahren, und da ich ohnehin kein Wasser in Kästen transportiere, sehe ich mich auch dabei nicht gehindert oder eingeschränkt. Mit dem Rad besuche ich Freunde in einem 20-Kilometer-Radius. Mit dem Rad muss ich nicht erst mühsam Parkplätze suchen und dann noch für das Abstellen meines Gefährts Geld bezahlen. Mit dem Rad bin ich jeden Tag mindestens eine halbe Stunde an der frischen Luft und bewege mich, was physisch und vor allem psychisch nicht zu unterschätzen ist.
Gut. Manchmal wünsche ich mir dennoch einen massiven Schutzpanzer aus hochfesten Stählen um mich herum, oder einen Meter Knautschzone und die Gewissheit dass Airbags für den Rest schon sorgen werden. Manchmal bin ich schon froh, dass ich Menschen kenne, die Autos oder Transporter fahren dürfen, denn Umzüge sind mit dem Rad trotz der Entwicklung von Lastenrädern nicht unbedingt die angenehmste Erfahrung, die ich machen möchte.
Mein Rad ist Lebensgefühl
So schnell ich mit dem Rad auch in der Stadt bin, ist es eigentlich ein ganz anderes Phänomen, welches mich beim Radfahren begleitet: Entschleunigung. Ich fahre nicht erst hunderte von Kilometern an einen Ort, um mich dort im Urlaub zu erholen; bereits der Weg dorthin entspannt und lässt den immer gleichen Trott hinter mir zurück. Bin ich Tage (und nicht schon Stunden) später an meinem offiziellen Ziel angekommen, befinde ich mich schon im Urlaubsmodus und muss nicht mehr abschalten. Abgesehen davon beeinflusst das Wie mein Wohin und Was, denn wenn ich mit dem Rad verreise, bin ich beschränkt in der Wahl meines Gepäcks.
Mein Rad zwingt mich zur Reduktion auf das Nötigste. Drei Paar Schuhe, mehr T‑Shirts als Urlaubstage, Notebook, Kamera, E‑Book-Reader – das alles ist nicht drin, und ich bereue es nicht, denn wenn ich wollte, könnte ich auch anders Urlaub machen. Mein Rad ist Asket und ich folge ihm gern mit Zelt und Schlafsack. Ich kann jeden Tag woanders sein, und bin es auch sehr gern. Was will ich in der weiten Welt, wenn ich nicht einmal das Hier kenne? Versteht mich nicht falsch: Ich möchte schon gern mal in die USA oder nach Kanada oder nach China oder, oder, oder … aber solange das nicht geht, will ich dennoch die Welt erkunden, auch wenn der Radius dabei ein bisschen kleiner ist. Dabei ist ein Rad noch lange kein Grund für keine Weltreise – im Gegenteil!
Mein Rad fordert mich auf zum Verzicht, und nur selten tut es wirklich weh. So sehr ich für Schnäppchen problemlos durch die halbe Stadt düsen könnte, so sehr lasse ich es sein, weil die zum Teil großen Umwege die paar Cent nicht wert sind (oder weil es dem TK-Gemüse schadet). Der Umweg für die „echte“ Cola, nur selten ist er es mir wert genug, dass ich ihn auch auf mich nehme, und wenn ich ihn doch fahre, dann gönne ich mir wirklich etwas. Es sind die kleinen Dinge, die mich damit glücklich machen.
Mein Rad bereichert mich tagtäglich, sei es durch den draußen erlebten Sonnenaufgang oder das Gespräch mit anderen Radler_innen. Will ich nicht mit ihnen reden, dann lasse ich es sein, aber wann immer ich unterwegs bin, bin ich „nah bei de Leut’“ und fast immer sind die Gespräche mit ihnen spannend. Mein Rad macht mich kommunizieren mit den anderen, und wenn ich nach einem mühsamen Anstieg die ganzen erkämpften Höhenmeter in einer kurzen, aber rasanten Abfahrt wieder hinter mir lasse, dann brauche ich keine Achterbahn für diese Dosis Endorphine.
Mein Rad lässt mich jeden Tag so viel Neues entdecken, und sei es nur, weil ich an einer Kreuzung anders abgebogen bin als sonst. Ich bin immer mitten in der Natur, wie städtisch diese Natur auch immer sein mag. Mein Rad ist ein wandelnder Erkundungsauftrag, dessen Ausgang ich selbst bestimmen kann.
Mein Rad, mein Stahlross, ist mein treuer Begleiter, bei Wind und Wetter; auf ihn kann ich mich jederzeit verlassen, und liegen mir mal Steine im Weg – besonders mag ich Bahnreisende, die nicht einsehen, dass so ein Rad sicher befestigt werden sollte und dafür Platz benötigt –, dann reichen ein paar Meter auf zwei Rädern und mein Frust ist verflogen. Ich brauche nicht viel zum Glücklichsein und mein Rad hat einen großen Anteil daran, dass das so ist.
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