Das war das Jahr, das war: 2017

Schon wie­der ist ein Jahr um. Obwohl es sich so ein­ge­bür­gert hat, dass vie­le dies zum Anlass neh­men, um kurz so zu tun als hiel­ten sie inne und blick­ten zurück, um danach genau­so wei­ter­zu­ma­chen wie zuvor, will ich mich die­sem Rei­gen anschlie­ßen. Inso­fern muss ich mich selbst zitie­ren: Jah­res­rück­bli­cke sind eigent­lich per defi­ni­tio­nem doof.

Um dem Irr­sinn aber etwas Sinn zu geben, habe ich beschlos­sen, nicht ein­fach zurück­zu­bli­cken, son­dern auch Kon­se­quen­zen zu zie­hen – zumin­dest ist das mein Plan. Wie 2018 wird, kann ich also nicht sagen. Wie der Jah­res­rück­blick wird, weiß ich aber recht gut … (… sag­te er, bevor er tat­säch­lich schrieb, was ihr nun lesen könnt). Ich habe also den Rück­blick von 2016 (sie­he auch: 2015201420132012) wie­der aus der Gara­ge geholt, ihn gerei­nigt und gefet­tet und die alten Ant­wor­ten durch neue ersetzt. In die­sem Sin­ne: Abfahrt!

Mehr Koh­le oder weni­ger? Mehr. Was so ein Job­wech­sel alles bewir­ken kann.

Mehr aus­ge­ge­ben oder weni­ger? Mehr. Was mehr Ein­kom­men alles bewir­ken kann.

Mehr bewegt oder weni­ger? Och. Einer­seits war da ein vom Schie­nen­netz genom­me­nes Wup­per­tal, was mich spa­ßes­hal­ber die Oster­fe­ri­en mit dem Rad zur Arbeit pen­deln ließ. Ande­rer­seits war da ein vom Schie­nen­netz genom­me­nes Wup­per­tal, was mich (vor allem auf­grund eini­ger guter Bücher) in den Som­mer­fe­ri­en mit dem Bus zur Arbeit pen­deln ließ. Haus­ho­hes Unentschieden.

Der schöns­te Moment? Utrecht, am ers­ten Wochen­en­de. Es war, als wäre ich nach Hau­se gekommen.

Das ein­drück­lichs­te beruf­li­che Erleb­nis? Win­deln. Was man halt so macht, wenn es nötig ist. Ich fühl’ mich jetzt noch völ­lig lupilu.

Der hirn­ris­sigs­te Plan? Vom klas­si­schen Six­pack-Rad­rei­sen zum Bike­pack­ing über­ge­hen zu wol­len. Sagen wir es mal so: Der Pro­zess ist noch lan­ge nicht abge­schlos­sen, aber mit der ers­ten Nacht – die thanks to a spe­cial kind of Ner­ven­kit­zel nicht wirk­lich lang oder erhol­sam war – auf einem nicht als Cam­ping­platz aus­ge­wie­se­nen Fleck­chen Grün habe ich das Schlimms­te vor­erst wohl hin­ter mir.

Die gefähr­lichs­te Unter­neh­mung? Eine Wurst essen zu wol­len. Die Wurst gab es nicht, also wur­de es ein Bur­ger – ein schar­fer Bur­ger. Ein sehr schar­fer Bur­ger. Ein schei­ße­ver­damm­te­he­i­de­witz­ka ist das schar­fer Bur­ger. Er fing so nett an, wieg­te und wog­te mich in Sicher­heit und biss dann unver­mit­telt zu: 300.000 Sco­ville, als wäre er mit Pfef­fer­spray gewürzt gewe­sen. Mir brann­te die Zun­ge, mir kratz­te der Hals, Stirn und Wan­gen wur­den taub – und das Atmen mach­te alles nur noch schlim­mer. Mer­ke: Manch­mal meint „sehr scharf“ wirk­lich sehr scharf. Manch­mal braucht es aber auch erst eine Wurst­fa­brik für rich­tig gute Burger.

Der bes­te Sex? Jou.

Die teu­ers­te Anschaf­fung? Ein neu­es Rad. Was man halt so macht, um der For­mel x = n + 1 genü­ge zu tun, wenn x für die Anzahl der benö­tig­ten und n für die Anzahl der bereits vor­han­de­nen Fahr­rä­der steht. Man soll­te der Ehr­lich­keit hal­ber aber auch erwäh­nen, dass Rad Num­mer 2 deut­lich leich­ter ist und einen Renn­rad­len­ker hat. Damit kann ich nun ein ganz neu­es Ter­ri­to­ri­um erobern.

Das leckers­te Essen? Ein Abend­essen bei Clau­dia und Debo­rah in der Can­ti­net­ta Wine & Pas­ta in Ams­ter­dam West. Abge­se­hen von einem fast schon klas­sisch zu nen­nen­den Miss­ver­ständ­nis bei der Reser­vie­rung war der Abend per­fekt. Wahr­schein­lich mach­te ihn das Ergeb­nis der ver­meint­lich ver­lo­ren gegan­ge­nen Reser­vie­rung sogar noch bes­ser. Wir saßen an der The­ke, die Küche im Blick und die Gäs­te im Rücken und wie sich das gesam­te Team um uns küm­mer­te, wäre mit rüh­rend nur unzu­rei­chend beschrie­ben. Vom Ent­schul­di­gungs-Sekt bis hin zum Abschieds-Limon­cel­lo war es unbe­schreib­lich gut. Reser­viert und geht selbst hin – und bedankt euch bei Karl und Daan, ohne deren Blog Cou­ple of Men ich nie von der Can­ti­net­ta erfah­ren hät­te. Van har­te dank.

Das beein­dru­ckends­te Buch? Wirk­lich beein­dru­ckend war es jetzt nicht unbe­dingt, aber inter­es­sant durch­aus: „Die Nie­der­lan­de. Ein Län­der­be­richt“, her­aus­ge­ge­ben von der Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung. Sel­ten habe ich ein Buch gele­sen, das so nüch­tern ein Land zu por­trä­tie­ren ver­sucht, aber wen das nicht abschreckt, der hat das Schlimms­te eigent­lich schon geschafft.

Der ergrei­fends­te Film? Irgend­wie war da nix, was län­ger hän­gen­blieb, aber Seri­en gab es dafür umso mehr, wes­we­gen ich mal davon eine her­aus­pi­cken will – und es ist nicht „Star Trek Dis­co­very“, auch wenn ich es sehr mag. „La Trê­ve“ ist eine sehr schö­ne bel­gi­sche Serie, die so ein biss­chen Kri­mi, so ein biss­chen Thril­ler und so ein biss­chen Land­schafts­do­ku ist und so gar nicht auf den 80er-Jah­re-Hype-Zug auf­springt, statt­des­sen aber in den bel­gi­schen Arden­nen spielt und sich wun­der­bar lang­sam ent­fal­tet – ein biss­chen wie Broad­church, nur ganz anders.

Die bes­te Musik? „Kind“ von Dil­lon ist so ein Album, das konn­te ich an man­chen Tagen rauf- und run­ter­hö­ren, ohne dass es mir fad wur­de, und wenn das nicht half, dann gab es noch Jonas Alas­ka oder die „Hyper­suites“ von Mari­na Baranova.

Das schöns­te Kon­zert? „Asche­MOND oder The Fairy Queen“ von Hel­mut Oeh­ring in der Oper Wup­per­tal. Zu sagen, es wäre das schöns­te Kon­zert gewe­sen, greift aber deut­lich zu kurz, denn schön im Sin­ne von anspre­chend, ange­nehm oder bezau­bernd war es nicht unbe­dingt, doch dafür muss ich ein wenig aus­ho­len. … Asche­MOND war eine Auf­trags­kom­po­si­ti­on der Staats­oper Unter den Lin­den, die Hel­mut Oeh­ring, Sohn gehör­lo­ser Eltern, auf der Basis von Hen­ry Pur­cells Oper „The Fairy Queen“ schuf. Dabei ver­such­te er die Klän­ge sei­ner Kind­heit und die Welt der Gehör­lo­sen in sein Werk ein­zu­be­zie­hen und dem Ver­lust und dem Umgang mit Ver­lus­ten eine tona­le Spra­che zu geben. Auch wenn das Pro­gramm­heft klar­stell­te, dass die Oper dabei kei­ne fort­lau­fen­de Hand­lung abbil­det, gelang es der Insze­nie­rung doch, in drei sehr unter­schied­li­chen Büh­nen­bil­dern den Bogen vom Ken­nen­ler­nen bis zum schmerz­haf­ten Abschied zu span­nen und jedem Bild ein ande­res Ende mit­zu­ge­ben, ein­zig ver­bun­den durch das Schick­sal der Fairy Queen selbst, dar­ge­stellt von der gehör­lo­sen Tän­ze­rin Kas­san­dra Wedel. Musi­ka­lisch war das nicht immer ein­fach, oft sogar sehr anstren­gend, denn wirk­lich ins Ohr gin­gen mir nur die Melo­die­frag­men­te aus Pur­cells Fairy Queen, aber es war inten­siv. Es rühr­te mich zu Trä­nen, so aktu­ell, so all­ge­mein­gül­tig und so hoff­nungs­los bit­ter war das, was ich zu sehen und zu hören bekam. Die­se Oper war kein Ver­gnü­gen, aber gera­de das mach­te sie so gut. Sie war poli­tisch und poe­tisch zugleich. Nur scha­de, dass so weni­ge das miterlebten.

Die inter­es­san­tes­te Aus­stel­lung? Die Dau­er­aus­stel­lung im Van Gogh Muse­um in Amsterdam.

Der span­nends­te Thea­ter­be­such? Kei­ner. Nächs­tes Jahr wird besser.

Der schöns­te Ort? Utrecht, egal wo.

Das nötigs­te Gad­get? Mein Rad. Ohne wäre ich noch weni­ger unter­wegs und noch mehr auf der Flucht vor mir selbst gewesen.

Die wich­tigs­te Erkennt­nis? Ich bin bis­wei­len ein recht beschis­se­ner Freund.

Die unwich­tigs­te, aber wit­zi­ge Erkennt­nis? Selbst im Kopf­ki­no läuft schlech­te Werbung.

Das bedeut­sams­te Spiel? Back­gam­mon, weil ich jetzt erst kann.

Die meis­te Zeit ver­bracht mit …? … Grü­be­lei­en, wie ich Din­ge wie­der gera­de bie­gen kann.

Die schöns­te Zeit ver­bracht mit …? … ehe­mals frem­den Menschen.

Vor­herr­schen­des Gefühl 2017? Unzufriedenheit.

2017 zum ers­ten Mal getan? Auf einer frem­den Couch gesurft.

2017 nach lan­ger Zeit wie­der getan? Soja­milch getrun­ken (und sie hat sogar geschmeckt). Sie dann aber selbst zu orga­ni­sie­ren war nicht ganz so einfach.

Drei Din­ge, auf die ich gut hät­te ver­zich­ten kön­nen? Feh­len­de Wör­ter, vor­han­de­ne Unlust und ein Todesfall.

Die wich­tigs­te Sache, von der ich jeman­den über­zeu­gen woll­te? Ach, las­sen wir das. Zumin­dest in die­sem Jahr.

Das schöns­te Geschenk, das ich jeman­dem gemacht habe? Ein Fuchs aus Papier.

Das schöns­te Geschenk, das mir jemand gemacht hat? Ein Kirch­turm aus Blech.

Der schöns­te Satz, den jemand zu mir gesagt hat? „Utrecht also mis­ses you.“

Der schöns­te Satz, den ich zu jeman­dem gesagt habe? „The­re is some kind of file all the way down to the fiet­sen­stal­ling.“ (Nichts ist schö­ner als zwei Spra­chen mit­ein­an­der zu ver­schmel­zen, wenn es gera­de passt.)

2017 war mit einem Wort? Verbesserungswürdig.

Gute Vor­sät­ze für 2018? Wör­ter finden.

Foto: Luxem­bourg bel­ge – CC-BY-SA – flickr.com

2 Kommentare zu „Das war das Jahr, das war: 2017

  1. Pingback: Das war das Jahr, das war: 2019 | #reiseknick

  2. Pingback: Das war das Jahr, das war: 2018 | #reiseknick

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert