Mein schwarzes Giant-Gravelbike steht an einen Holzzaun gelehnt am Wegesrand, bepackt mit schwarzer Rahmentasche, schwarzer Lenkerrolle, schwarzer Arschrakete und einer kleinen roten Oberrohrtasche. Vor der Lenkerrolle baumelt eine orange Powerbank mit Solarpanel, am Sattelrohr und am Ungterrohr klemmen zwei Wasserflaschen, auf dem Gepäckträger sind Tarp und ein blaues Mikrofaserhandtuch verspannt. Vor dem Rad steht mein Fahrradrucksack.

Auf allen Hochzeiten tanzend – #reiseknick2018, Tag 8

Selbst aus­ge­tre­te­ne Pfa­de kön­nen noch zu neu­en Ein­bli­cken füh­ren, wenn man nur den Blick vom ver­trau­ten Weg wen­det. So kam es auch, dass sich die­se Etap­pe, so bekannt sie mir auf vie­len Kilo­me­tern doch war, letzt­lich als klei­ne Wun­der­tü­te erwies, die mit einer stei­len Abfahrt begann und einem noch stei­le­ren Auf­stieg ende­te. Dazwi­schen lag viel Was­ser – und dabei war ich gar nicht am Meer.

Unterwegs

Unter allen Unter­künf­ten der ver­gan­ge­nen Tage war die Klau­sen­höh­le mit Abstand die bes­te: Sie hat­te ein mas­si­ves Dach, eine beque­me, weil reich­lich brei­te Lie­ge­flä­che und war ver­gleichs­wei­se warm. Die Dorf­ju­gend am Abend mach­te mit Abwe­sen­heit auf sich auf­merk­sam und von neu­gie­ri­gen Anwoh­nern am Mor­gen war nichts zu sehen. Hier ließ es sich leben, wenn man kein gestei­ger­tes Bedürf­nis nach Sani­tär­an­la­gen und flie­ßend Was­ser hat­te. Doch das war nicht mein Plan. 

Mein Plan sah etwas anders aus. Er soll­te mich auf ver­trau­ten Wegen zur Saar­schlei­fe füh­ren. Von da oben müs­se man doch bestimmt eine gute Aus­sicht haben. Und gab es an der Cloef nicht auch eine Hüt­te mit ein paar Bän­ken? Da lie­ße sich doch sicher­lich auch nächtigen.

Ein einsamer Apfelbaum steht am Zaun in einem Feld. In der Ferne sind Weinberge an den Hängen der Saar zu erahnen. Der Himmel ist nur leicht bewölkt an diesem Sommertag.

Zuerst aber muss­te ich von der Höh­le zur Mosel fin­den, und das hieß in die­sem Fall: Es ging abwärts, und das so steil, dass es mir siche­rer schien zu schie­ben – und selbst das erwies sich noch als nicht ganz unhei­kel. Doch irgend­wie gelang es mir doch und ich fand mei­nen Weg zurück ans Was­ser. Das war aber nicht die Mosel. Es war die Kyll, die ich schon lan­ge nicht mehr gese­hen hat­te. Bevor sie mich aber zur Mosel füh­ren konn­te, mach­te ich einen Abste­cher durch Ehrang und deck­te mich mit einem Früh­stück ein. Der Tag soll­te lang werden.

Bis zur Kai­ser-Wil­helm-Brü­cke schlug ich mich durchs Trier links der Mosel, dann ging es ins Herz der Römer­stadt. Eigent­lich woll­te ich dort Strom tan­ken, doch fand ich für mein Rad kei­nen Stell­platz. Also blieb es bei einer Früh­stücks­pau­se im Schat­ten der Nord­al­lee. Danach ging es zurück ans Ufer der Mosel, wor­aus bei Konz das Ufer der Saar wur­de. Auch die­ses Mal kürz­te ich den Wil­tin­ger Saar­bo­gen ab, mach­te dafür aber zum Aus­gleich einen Abste­cher nach Saar­burg, um mir mal den hie­si­gen Was­ser­fall aus der Nähe anzu­schau­en. Wo ich schon mal dort war, blieb ich dann auch links der Saar, zumin­dest bis zur Schleu­se Ser­rig, nur um nach der nächs­ten Win­dung der Saar bei Taben wie­der die Sei­te zu wech­seln. Hier ereil­te mich dann doch ein Schau­er­chen, doch das soll­te es dann auch an Was­ser von oben an die­sem Tag blei­ben. So viel Son­ne hat­te ich seit Tagen nicht gese­hen, und auch die Hoch­zeits­ge­sell­schaft, die in Mett­lach nicht zu über­se­hen war, freu­te sich sicht­lich über das Wetter.

Blick auf die evangelische Kirche von Saarburg, die über der Stadt thront. Der Hang unter der Kirche ist von Bäumen und Sträuchern begrünt.

Ich woll­te aber kei­ne Hoch­zeit cra­shen. Ich woll­te zur Saar­schlei­fe, also fuhr ich unauf­fäl­lig wei­ter. Bis zur Saar­schlei­fe selbst war das auch sehr ange­nehm, denn es war flach, wie das an den meis­ten schiff­ba­ren Flüs­sen so ist. Nur auf den letz­ten Metern wur­de es dann noch­mal steil. Rich­tig steil. Ich muss­te schie­ben, denn über Geröll ging es hin­auf zur Cloef. Oben ange­kom­men, geriet ich dann doch in eine Hoch­zeit. Weit hin­ter der Cloef und dem Baum­wip­fel­pfad, am Atri­um fei­er­te eine Gesell­schaft aus­ge­las­sen den Bund zwei­er Men­schen. Ich mach­te es mir an der Cloef gemüt­lich und genoss den lau­schi­gen Abend, der sich aus Grün­den in die Län­ge zog. Das Pla­teau trug die Musik den hal­ben Kilo­me­ter vom Atri­um zur Cloef und mehr als nur eine Per­son zog es zum Son­nen­un­ter­gang und den Lich­tern der Nacht an die Saarschleife.

Ada, mein blauer Cubebot, chillt mit überschlagenen Beinen auf der Mauer an der Cloef. Hinter verschwimmt die Saarschleife in der Ferne, von der man nur die Saar und den Bergkamm sehen kann, der die Saar hier um die Kurve zwingt, nicht aber die Schleife selbst.

Spät, sehr spät wur­de es dann doch ruhi­ger. Die Musik ver­klang, die Men­schen gin­gen, ich nick­te ein und wur­de von heu­len­den Sire­nen wach. Als Stadt­kind kennt man das ja nicht, also lausch­te ich dem Klang und ver­such­te zu ergrün­den, woher der Lärm kam, und was er zu bedeu­ten hat­te. Erst das Blau­licht der Feu­er­wehr, weit unten im Tal kaum zu sehen, brach­te die Ant­wort auf mei­ne Fra­gen. Ich konn­te wie­der ein­schla­fen, zumin­dest in der Theo­rie – denn in der Pra­xis kamen nun Men­schen. Men­schen an einem Aus­sichts­punkt, wer konn­te damit schon rech­nen? Dun­kel war’s, ihre roten Fun­zeln schie­nen hel­le, wohl geüb­te Nacht­wan­de­rer waren es, die auch gar nicht mehr gegan­gen wären, wäre ihnen nicht das kurz nach ihnen erschie­ne­ne frisch ver­lieb­te Paar nicht so übelst auf den Geist gegan­gen, dass sie ihr Heil in der Ruhe an ande­rer Stil­le such­ten. Das Paar hin­ge­gen blieb ver­liebt, und ich lag flach atmend in der Ecke und ver­such­te nie­man­den auf mich auf­merk­sam zu machen. Es gelang. Am Ende gru­sel­te er sie weg, indem er behaup­te­te, da läge wer in der Ecke der Hüt­te und schlie­fe. Ganz falsch lag er nicht, aber ich war zu müde, um ihn zu korrigieren.

Ein Frachtkahn fährt nachts auf der Saar in meine Richtung. Die Suchscheinwerfer erhellen zu beiden Seiten des Bugs das Wasser, doch die goldgelben Lichtkegel reichen nicht weit. Vom Fotostandpunkt hier oben lässt sich kaum das Ufer ausmachen.

Die Strecke

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