Selbst ausgetretene Pfade können noch zu neuen Einblicken führen, wenn man nur den Blick vom vertrauten Weg wendet. So kam es auch, dass sich diese Etappe, so bekannt sie mir auf vielen Kilometern doch war, letztlich als kleine Wundertüte erwies, die mit einer steilen Abfahrt begann und einem noch steileren Aufstieg endete. Dazwischen lag viel Wasser – und dabei war ich gar nicht am Meer.
Unterwegs
Unter allen Unterkünften der vergangenen Tage war die Klausenhöhle mit Abstand die beste: Sie hatte ein massives Dach, eine bequeme, weil reichlich breite Liegefläche und war vergleichsweise warm. Die Dorfjugend am Abend machte mit Abwesenheit auf sich aufmerksam und von neugierigen Anwohnern am Morgen war nichts zu sehen. Hier ließ es sich leben, wenn man kein gesteigertes Bedürfnis nach Sanitäranlagen und fließend Wasser hatte. Doch das war nicht mein Plan.
Mein Plan sah etwas anders aus. Er sollte mich auf vertrauten Wegen zur Saarschleife führen. Von da oben müsse man doch bestimmt eine gute Aussicht haben. Und gab es an der Cloef nicht auch eine Hütte mit ein paar Bänken? Da ließe sich doch sicherlich auch nächtigen.
Zuerst aber musste ich von der Höhle zur Mosel finden, und das hieß in diesem Fall: Es ging abwärts, und das so steil, dass es mir sicherer schien zu schieben – und selbst das erwies sich noch als nicht ganz unheikel. Doch irgendwie gelang es mir doch und ich fand meinen Weg zurück ans Wasser. Das war aber nicht die Mosel. Es war die Kyll, die ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Bevor sie mich aber zur Mosel führen konnte, machte ich einen Abstecher durch Ehrang und deckte mich mit einem Frühstück ein. Der Tag sollte lang werden.
Bis zur Kaiser-Wilhelm-Brücke schlug ich mich durchs Trier links der Mosel, dann ging es ins Herz der Römerstadt. Eigentlich wollte ich dort Strom tanken, doch fand ich für mein Rad keinen Stellplatz. Also blieb es bei einer Frühstückspause im Schatten der Nordallee. Danach ging es zurück ans Ufer der Mosel, woraus bei Konz das Ufer der Saar wurde. Auch dieses Mal kürzte ich den Wiltinger Saarbogen ab, machte dafür aber zum Ausgleich einen Abstecher nach Saarburg, um mir mal den hiesigen Wasserfall aus der Nähe anzuschauen. Wo ich schon mal dort war, blieb ich dann auch links der Saar, zumindest bis zur Schleuse Serrig, nur um nach der nächsten Windung der Saar bei Taben wieder die Seite zu wechseln. Hier ereilte mich dann doch ein Schauerchen, doch das sollte es dann auch an Wasser von oben an diesem Tag bleiben. So viel Sonne hatte ich seit Tagen nicht gesehen, und auch die Hochzeitsgesellschaft, die in Mettlach nicht zu übersehen war, freute sich sichtlich über das Wetter.
Ich wollte aber keine Hochzeit crashen. Ich wollte zur Saarschleife, also fuhr ich unauffällig weiter. Bis zur Saarschleife selbst war das auch sehr angenehm, denn es war flach, wie das an den meisten schiffbaren Flüssen so ist. Nur auf den letzten Metern wurde es dann nochmal steil. Richtig steil. Ich musste schieben, denn über Geröll ging es hinauf zur Cloef. Oben angekommen, geriet ich dann doch in eine Hochzeit. Weit hinter der Cloef und dem Baumwipfelpfad, am Atrium feierte eine Gesellschaft ausgelassen den Bund zweier Menschen. Ich machte es mir an der Cloef gemütlich und genoss den lauschigen Abend, der sich aus Gründen in die Länge zog. Das Plateau trug die Musik den halben Kilometer vom Atrium zur Cloef und mehr als nur eine Person zog es zum Sonnenuntergang und den Lichtern der Nacht an die Saarschleife.
Spät, sehr spät wurde es dann doch ruhiger. Die Musik verklang, die Menschen gingen, ich nickte ein und wurde von heulenden Sirenen wach. Als Stadtkind kennt man das ja nicht, also lauschte ich dem Klang und versuchte zu ergründen, woher der Lärm kam, und was er zu bedeuten hatte. Erst das Blaulicht der Feuerwehr, weit unten im Tal kaum zu sehen, brachte die Antwort auf meine Fragen. Ich konnte wieder einschlafen, zumindest in der Theorie – denn in der Praxis kamen nun Menschen. Menschen an einem Aussichtspunkt, wer konnte damit schon rechnen? Dunkel war’s, ihre roten Funzeln schienen helle, wohl geübte Nachtwanderer waren es, die auch gar nicht mehr gegangen wären, wäre ihnen nicht das kurz nach ihnen erschienene frisch verliebte Paar nicht so übelst auf den Geist gegangen, dass sie ihr Heil in der Ruhe an anderer Stille suchten. Das Paar hingegen blieb verliebt, und ich lag flach atmend in der Ecke und versuchte niemanden auf mich aufmerksam zu machen. Es gelang. Am Ende gruselte er sie weg, indem er behauptete, da läge wer in der Ecke der Hütte und schliefe. Ganz falsch lag er nicht, aber ich war zu müde, um ihn zu korrigieren.
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